Geburt
    
  
   Nach 1955 war es 
  selbstverständlich, daß die Kinder in Meschen im Entbindungsheim 
  oder in der Klinik in Mediasch unter ärztlicher Aufsicht zur Welt kamen. 
  Früher wurden die Kinder im Hause der Eltern zur Welt gebracht. Die Hebamme, 
  die Angestellte der Gemeinde war, wurde beim Einsetzen der Wehen gerufen und 
  sie stand der Gebärenden zur Seite. Wenn eine Frau schwanger war, sagte 
  man. "Sä/et äs an undern Amständen" (sie ist 
  in anderen Umständen) . Nach der Geburt sagte man: "Sä/et 
  äs nederkun" (sie ist niedergekommen) oder "Sä/et 
  huet entbainden" (sie hat entbunden) .
  
     Die schwangere Frau hatte einige 
  Gebote und Verbote zu beachten. So mußten alle seelischen Belastungen 
  von ihr ferngehalten werden. Sie durfte nicht in ein offenes Grab blicken und 
  überhaupt keinen Toten sehen oder mit ihm in Berührung kommen. Sie 
  sollte nichts Unangenehmes sehen oder mit übelriechenden Mitteln in Berührung 
  kommen. Positiv beeinflussten die Schwangere schöne Dinge, wie Blumen und 
  angenehme Düfte. Die Lust der Schwangeren auf bestimmte Speisen musste 
  befriedigt werden (gomern) . Betrat sie ein Haus, wo gerade gegessen wurde, 
  musste sie an den Tisch gebeten werden. Von den im Hause vorhandenen Früchten 
  wurden der Schwangeren einige mit nach Hause gegeben, damit sie ja nicht "gomere". 
  Unter Jammern und Krümmen und im Beisein der Hebamme (Omfra) vollzog 
  sich dann das große Ereignis, bei dem der Mann nicht dabei sein durfte.War 
  das Kind zur Welt gekommen, wurde es von der Hebamme mit den Worten begrüßt: 
  "Gott soa Dunk, mer hun en Gangen/en Medschen bekun" (Gott 
  sei Dank, wir haben einen Jungen/ ein Mädchen bekommen) . Das Kind wurde 
  hochgehoben, damit es leichter atmen konnte. Nun kam die Omfra (Hebamme) zwei 
  Wochen lang zweimal täglich um das Neugeborene zu baden. Den Geschwistern 
  sagte man dass der Storch ein Brüderchen/ Schwesterchen aus dem nahen Teich/ 
  Bach gebracht habe.
   
    Die nächsten Tage erhielt die Wöchnerin von 
  den Anverwandten im "Gefadder drafoß" die sogenannte 
  "Suppe" (leichte Kost) mit den Worten: "Äser Herrgott 
  erhold ir Sintschen/ Dichterchen" (Gotterhalte euer Söhnlein/ 
  Töchterlein). Bis zur Taufe durfte die junge Mutter Haus und Hof nicht 
  verlassen. Diese Zeit hieß man "Äsätzen" (Einsitzen). 
  Sie diente der jungen Mutter zur Schonung. Das Neugeborene schlief in der Wiege 
  die neben dem Bett der Mutter stand. Nach der Taufe wurde das Kind in der Feldwiege 
  aufs Feld mitgenommen. Das Neugeborene bedurfte eines besonderen Schutzes, denn 
  es konnte leicht "berofen" (berufen, d.h. verhext) werden. 
  "Berufen" werden konnte ein Kleinkind durch einen bösen Blick, 
  durch ein unvorsichtiges Bewundern oder durch 
  Lobpreisungen seiner Schönheit. Um nicht "berufen" zu werden, 
  wurde es dreimal andeutungsweise angespuckt. Um nicht von den "Truden" 
  (Hexen) ausgetauscht zu werden, legte man über die Wiege einen Besen wenn 
  das Kind allein gelassen wurde. Hatte man den Verdacht daß das Kind "berufen" 
  sein könnte, machte man ihm ein "Escherchen" (Äscherchen). 
  In einem Topf wurden glühende Kohlen in kaltem Wasser abgelöscht, 
  dem man aus allen vier Ecken des Zimmers abgekratzte Kalktünche beimischte. 
  Damit benetzte man die Stirn des Kindes in Kreuzform und murmelte dabei einen 
  Zauberspruch.
  
    Wie man aus heutiger Sicht auch über diese Praktiken 
  urteilen mag, sie waren alle angetan der werdenden Mutter die bestmögliche 
  Schonungszeit zu gewährleisten und dem Neugeborenen den bestmöglichsten 
  Schutz zukommen zu lassen. 
Aus dem Almer Heimatbuch 
                                                von 
  Mathias Pelger
